Seit 1914: NaturFreunde Ortsgruppe Offenbach
Annonce zur Gründunsversammlung der Naturfreunde Offenbach

Seit 1914: NaturFreunde Ortsgruppe Offenbach

Die Gründung
Mit obiger Annonce im Offenbacher Abendblatt fing die Geschichte der Naturfreunde Ortsgruppe Offenbach an, am 4. Februar 1914. 41 Personen (40 Herren und eine Dame, lt. Protokoll) waren zu der Gründungsversammlung erschienen. Sie wählten ihren Vorstand, einen Wanderausschuss und Karl Haub als Vorsitzenden. Sie schlossen sich dem internationalen Touristenverband "Die Naturfreunde", Sitz Wien an. Einstimmig wurde der Jahresbeitrag von 3,50 Mark beschlossen. Mit viel Elan ging man an die Arbeit. Schon 3 Tage später nahmen 21 Offenbacher an der von der Frankfurter Ortsgruppe geplanten Spessartwanderung mit insgesamt 67 Personen teil. Man staune: Von Kahl bis Gelnhausen, 6½ Stunden Wegzeit. Jede Woche wurde eine Wanderung angeboten. Jeden Monat wurde eine Versammlung durchgeführt. Die Mitgliederzahl wuchs innerhalb eines Vierteljahres um die Hälfte.

Doch dann kam es im August zum Krieg, dem 1. Weltkrieg, wie er später genannt wurde. Die Naturfreunde machten zwar ihr Programm weiterhin, aber es ging zahlenmäßig sehr zurück. Denn für viele männlichen Mitglieder wurde aus dem Wandern ein marschieren, ein marschieren zur Front. Aus den Protokollen von damals war zu erfahren.
1915: von 60 Mitgliedern waren 53 männlich - und davon 31 bei den Soldaten
1916: von 63 Mitgliedern waren 56 männlich - und davon 34 bei den Soldaten
1917: von 67 Mitgliedern waren 58 männlich - und davon 34 bei den Soldaten
Von einem funktionierendem Vereinsleben konnte wirklich keine Rede mehr sein. Zwar fanden noch Halbjahresversammlungen statt, aber in jeder Versammlung musste man wieder neuer Gefallenen gedenken.

Die erste Jahresversammlung nach dem Krieg findet am 10. Januar 1919. 44 Mitglieder sind erschienen. 8 Genossen sind im Krieg gefallen, aber mindestens 2 werden noch vermisst und weitere 2 sind noch in Kriegsgefangenschaft. Mit Elan wurde die Arbeit neu begonnen. Doch anscheinend gab es interne Probleme. Ganz überraschend ist der 1. Vorsitzende zurückgetreten. Neuwahlen.

Der Wunsch nach einem eigenem Heim konnte im April 1922 erfüllt werden. Die Ortsgruppe pachtete die leerstehende Walderholungsstätte (das war eine Steinbaracke im Oberräder Wald zwischen dem heutigen Autobahnzubringer Taunusring und dem Tennisclub).Der Verein zählte inzwischen 178 Mitglieder.

Im Januar 1923 waren es dann schon 310 Mitglieder, obwohl der Jahresbeitrag auf 1000 Mark festgesetzt wurde. Die aufkommende Inflation zeigte ihre erste Anzeichen. Deshalb ging man auf einen monatlichen Beitrag über. Für den Monat September 1923 betrug der Monatsbeitrag 300 000 Mark. Inflationär zeigte sich auch die Wirtschaftkasse vom Waldheim. Wurde noch am 13. Oktober von 7 Mill. Einnahmen und 4 Mill. Ausgaben (also 3 Mill. Gewinn) verzeichnet, waren es bereits bei der Jahresversammlung am 11. Januar 1924 Einnahmen von 210 Mill., Ausgaben von 178 Mill. Währungsreform. Für den Januar 1924 wurde der Monatsbeitrag auf 25 Pfennig festgesetzt. Die Inflation war überwunden. Es war eine schwere und bewegte Zeit. Auch innerhalb der Ortsgruppe. Es gab Spannungen wegen der Vielzahl der Interessen und Vorstellungen der einzelnen politischen Gruppen, den sportlichen Bereichen, Diskussionen mit den Naturkundlern, mit denen, die gegen Nikotin und Alkoholverkauf im Waldheim waren. Regelungen im Betrieb des Waldheim, da besonders das Organisieren von regelmäßigen Nachtwachen aus Sicherheitsgründen brachten einige Probleme. Aber sehr große Spannungen gab es zwischen alt und jung. Letztere führte dazu, dass 1923 19 junge Leute ausgetreten sind. Auch das salomonische Verhalten des kurz zuvor gewählten 1. Vorsitzenden Willi Buckpesch konnte da nichts Wesentliches daran ändern. Immer war irgendwas am Brodeln, pulzierendes Leben könnte man wohlwollend sagen.

Eine Hüttenbaukommission wurde gegründet, denn man wollte gern im vorderen Spessart eine Schutzhütte bauen. Nach längerem Suchen hat man im Kasseltal einen Platz gefunden. Nachdem die Finanzierung gesichert war, wurde der Bau des "Spessarthauses" begonnen. Es war aber keine Schutzhütte, sondern ein richtiges Haus. Ende August 1925 wurde das Haus, nach 7 monatiger Bauzeit, eingeweiht. Der Anteil an Eigenleistung am Bau war sehr hoch. Es gab ja auch sehr viele Arbeitslose bei den Mitgliedern, die mithelfen konnten. 24 000 Mark kostete der Bau. Hauptgeldgeber war der NF-Gau Rhein-Main mit 16 000 und Arbeiterradfahrerbund "Solidarität" mit 5000 Mark.

Das Spessarthaus wurde gut genutzt, die Nachfrage war größer als gedacht. Man stellte Überlegungen anzubauen. Im Sommer 1929 wurde durch den Dorf-Bäckermeister Schumm bekannt, dass die Günthersmühle mit über 6 Morgen Land zum Verkauf anstand. Der Vorstand klemmte sich dahinter, berichtete, die Versammlung beschloss. Kaufpreis 13 000 Mark, 5000 Mark, der Rest als Darlehen für 6 Jahre. Die Mühle war aber sehr stark renovierungsbedürftig. Wieder wurde ein Sammelaktion gestartet und wieder gab es einen großen Arbeitseinsatz. Zu Ostern 1930 erfolgte die Einweihung.

Das liest sich alles so einfach, als hätte es kaum Probleme gegeben. Es gab viele, in den Details und viel Arbeit in den Ausschüssen und dann natürlich vor Ort. Auch könnte der Eindruck entstehen, die Arbeit hätte sich ganz und gar auf die Häuser konzentriert. Absolut nicht. All die Jahre hindurch gab es, außer in der Zeit des 1. Weltkrieges, jeden Monat eine Versammlung. In den ersten 6 oder 8 Jahren hatte man das Hauptgewicht auf Wanderungen gelegt, doch mit dem Erwerb des Waldheims, des Unabhängigseins in der Raumfrage, wurden mehr Bildungsarbeit und Vorträge geboten. Die Anzahl der Wanderungen wurden etwas weniger, die Strecken teilweise kürzer, es gab auch Spaziergänge. Freilich wuchs auch intervallmäßig die Mitgliederzahl, sodass es zu Gruppenbildungen kam. Zunächst mal 1924 eine Jugendgruppe dann eine Gymnastikgruppe, dies all die Jahre hindurch. Doch auch eine Naturkundegruppe, eine Fotogruppe, eine Mädchengruppe, eine Volkstanzgruppe wurde ins Leben gerufen. Später gab es dann auch noch eine Wintersportgruppe, eine Wassersportgruppe und noch etwas später eine Musikgruppe und ein Singkreis. Teilweise waren die Gruppen festgefügt, teilweise nur locker verbunden. Doch es gab noch andere Institutionen: einen Wanderführerausschuss (nannte sich Führerrat), Hüttenwartausschuss, eine Wirtschaftsleitung, einen Wirtschaftausschuss und dann noch eine Reihe Unterkassierer. Ob da jeder den Durchblick hatte, ich jedenfalls nicht so sehr.

1933 war alles zu Ende. Nicht nur für die Naturfreunde und ihre Häuser. Nicht nur für Deutschland. Mit der sogenannten Machtübernahme durch die Nazis begann ein immer mehr eskalierender Terror gegen alle Menschlichkeit in ganz Europa. In einem kleinem, unscheinbaren Schreiben wird unserem damaligen Vorsitzenden Willi Buckpesch offiziell mitgeteilt:
Der Verein wird gelöscht, weil er durch die Verfügung des Staatskommissars für das Polizeiwesen in Hessen vom 3.6.1933 verboten und aufgelöst ist.
Stempel , Unterschrift

17 unserer Genossen litten unter der Verfolgung durch die Nazis. Sie wurden unter Polizeiaufsicht gestellt, in "Schutzhaft" genommen, landeten im Gefängnis, im Zuchthaus oder in Konzentrationlagern, letzteres meist für sehr lange Zeit. Sie waren nicht dort, weil sie Naturfreunde waren, sondern weil sie sich politisch engagiert hatten und aktiv in den Arbeiterparteien tätig waren, oder Widerstand leisteten.

Helmut Eichhorn

Mehr dazu auch hier: Die Günthersmühle in der Nazizeit