Die bewegte Geschichte der Günthersmühle

Wenn alte Steine erzählen könnten

Die Ried´che Lohmühle
In der Reihe der vier Kasselgrund-Mühlen ist die Günthersmühle die oberst gelegene. Sie wurde jedoch nicht, wie die anderen Mühlen vom Kasselbach angetrieben, sondern vom Lämmerbach, welcher aus dem Seitental kommt und unterhalb des ehemaligen Forsthauses in den Kasselbach mündet. Noch heute ist der Verlauf des Mühlgrabens als leichte Einmuldung im Gelände erkennbar. 1956 war die Mühlradgrube noch vorhanden und die zugemauerte Wellendurchführung in der Mauer sichtbar. Das Mühlrad war oberschlächtig und hatte höchstens einen Durchmesser von 3 Metern.

Die Wiese unterhalb des Hauses ist heute noch teils natürlich, teils künstlich mit einem Damm eingegrenzt, was darauf schließen lässt, dass das Unterwasser der Mühle einen Teich speiste. Auch die Bauform des Hauses, dessen talseitiger Vorbau von einer schrägen Sandstein-Stützmauer getragen wird, lässt vermuten, dass das Haus früher unmittelbar am Wasser stand.

In einem Dokument der Ämter Orb und Hausen von 1668 wird 'Obig dem dorff Caßell zwischen den Wäldern im Wiesengrund eine Schleiffmühl' genannt, die vermutlich im 30 jährigen Krieg zerstört und später wieder aufgebaut zu einer Lohmühle wurde. (Die Lohe ist ein gerbstoffhaltiges Produkt aus Eichenrinde, welches in dieser Zeit, für die Ledergerbung gebraucht wurde.) 1716 baute Adam Stock aus Kassel hier eine neue Lohmühle, "Ried´che Lohmühle genannt, in der Generationenfolge der Müller kommt der Familiennahme "Günther" schon zweimal vor. In Grundbuchdokumenten in Gelnhausen erscheint die Günthersmühle 1804, durch Erteilung der Wasserrechte auf "ewige Zeiten". Die lückenlose Folge der Mühlenbesitzer lässt sich aber erst ab 1838 dokumentieren damals war es wieder ein "Müller Günther".

Das Naturfreundehaus
Bis 1929 wechselte die Günthersmühle fünfmal die Besitzer, bis sie in jenem Jahr von den Offenbacher Naturfreunden erworben wurde. In der Tradition der Naturfreunde wurde nun die alte Mühle in Eigenhilfe, mit einfachsten Mitteln, von den Mitgliedern zum Wander- und Ferienheim hergerichtet. Am Oster-Sonntag 1930 fand unter großer Beteilgung die feierliche Einweihung statt.

Die Enteignung durch die Nazis
Nur drei Jahre dauerte die fruchtbare Zeit, in der viele Stadtmenschen und vor allem bedürftige Kinder aus Offenbach die Günthersmühle als Erholungsstätte nutzen konnten. 1933 wurde die Organisation verboten, das Haus, wie alle Häuser der Naturfreunde, von den neuen Machthabern enteignet. Im Februar 1933 wurde das Haus von einer bewaffneten SA-Einheit umstellt und durchsucht. Trotzdem konnte das Haus noch bis zum Januar 1934 weitergeführt werden, weil der zuständige Revierförster, den Machthabern gegenüber die Bürgschaft für einen "ordentlichen Betrieb" übernahm. Für die Zwecke der Nazi-Organisationen war das Haus nicht geeignet, so kam es 1937 zur Versteigerung der Günthersmühle. Bald darauf verkaufte der Ersteigerer jedoch das Haus an einen Bürger aus dem Dorf Kassel.
Mehr dazu auch hier: Die Günthersmühle in der Nazizeit

Nach Kriegsende
1945 gründete sich die Ortsgruppe Offenbach, als erste in Deutschland, neu. Der 1933 aufgelöste Vorstand konnte, ohne Verluste, in gleicher Besetzung die Arbeit wieder aufnehmen. Sofort wurde beim Amt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung ein Antrag auf Rückgabe des, von den Nazis gestohlenen Hauses, gestellt.
Am 16. Dezember 1949 erfolgte dann die rechtliche Rückgabe. Leider konnte das Haus nicht sofort genutzt werden, es wurde von drei Familien aus dem Dorf Kassel bewohnt, welche selbst neue Unterkünfte suchten. Die Nutzung als Naturfreundehaus konnte erst am 13. Mai 1956, nach 26 Jahren, wieder aufgenommen werden, nachdem wieder nur mit großem Arbeitseifer der Mitglieder und mit einem Kredit der Gewerkschaft Leder erträgliche Verhältnisse hergestellt werden konnten.

Die große Renovierung Anfang der 90er
Um die Bausubstanz, des mehrere jahrhunderte Jahre alten Hauses zu erhalten waren jahrzehntelang immer nur kleine Schritte möglich. Zu einer Grundrenovierung war jedoch ein großer Sprung nach vorn notwendig. So wurde dann nach jahrelanger Planung die alte Mühle in den Jahren 1990 / 91 gründlich renoviert. Der älteste Bauteil, der eigentliche Mühlenbau, der wegen Baufälligkeit lange nicht benutzt werden konnte, wurde abgebrochen und total und denkmalgerecht wieder aufgebaut. Das lange mit "Eternit" verblendete Fachwerk wurde wieder freigelegt.

Aber auch eine Reihe Brandschutzmaßnahmen und Sicherheitsauflagen wurden erfüllt. Die gesamte Haustechnik musste modernisiert werden. Das Ganze wurde möglich mit Unterstützung des Landes Hessen und der Stadt Offenbach, aber auch durch viele kleine Spender. Trotzdem musste der Verein noch tief in die Tasche greifen und die Mitglieder einige Tausend Selbsthilfe-Arbeitsstunden einbringen.
Am Pfingstsamstag 1991 wurde, nun zum dritten Mal, Einweihung gefeiert. So wie sich die alte Mühle im Kasselgrund nun im neuen Glanz zeigte, sah sie in den letzten hundert Jahren nicht mehr aus. Wie allgemein bekannt ist, setzen sich aber Naturfreunde nie auf dem Erfolg zur Ruhe. Neue Erkenntnisse über die Anwendbarkeit erneuerbarer Energien führten Ende 1998 dazu, eine Thermische Solaranlage zu bauen. Unter fachlicher Leitung, aber in Selbsthilfe, wurden diese Arbeiten ausgeführt. Die Anlage versorgt die Dusch- und Waschanlage mit heißem Wasser.

Der Reiz der Günthersmühle
Die Günthersmühle ist besonders geeignet für Familien mit Kindern, Kindergruppen und Wochenend-Wanderer. Es stehen 17 Betten, in Zwei- und Mehrbett-Zimmern zur Verfügung.
Außerdem sind im sogenannten "Taubenschlag", einem sauber ausgebauten Dachraum, 8 Schlafplätze auf Matratzen vorhanden. Es gibt weiter ein Aufenthaltsraum für etwa 18 Personen und einen Seminarraum für etwa 35 Personen. Für Gäste die sich selbst verpflegen wollen kann eine im Winter 2017/2018 frisch renovierte und gut ausgestattete "Selbstkocherküche" benutzt werden.

Der besondere Reiz des alten Fachwerkhauses liegt in seiner verschachtelten und verwinkelten Bauweise, es bietet einen wohltuenden Kontrast zu unseren städtischen Beton-Wohnburgen. Hotelkomfort wird nicht geboten. Dusch- und Waschräume, sowie Toiletten sind im angrenzenden Sanitärhaus. Für die Nacht ist eine Toilette im Haus.

Auf dem Gelände um das Haus gibt es eine große Spielwiese, eine große Zeltwiese mit befestigter Feuerstelle und Bachlauf, ein Vereins-Campingplatz, 3 Gäste-Stellplätze für Wohnwagen oder Wohnmobile, zu kurzfristigen Aufenhalten, sowie einen PKW-Parkplatz.

Die Bewirtschaftung der Günthersmühle wird in klassischer Naturfreundeart von den Mitgliedern in abwechselndem Dienst versehen. Angeboten werden: gekühlte Getränke, Eis, Kaffee und Kuchen sowie einige leckere Speisen mit Produkten aus der Region. Erlöse aus dem Verkauf dienen der Erhaltung und dem Ausbau des Naturfreundehauses Günthersmühle. Geöffnet ist an allen Wochenenden von April bis Ende September, in den hessischen Sommerferien durchgängig, oder nach Vereinbarung.

Kurt Nagel